Dr. Ingo Froböse

Kinder und Sport: Tipps für Eltern

Von Prof. Dr. Ingo Froböse
Aktualisiert am 28. Sep. 2020

Ist mein Kind zu dick? Was, wenn es nur Nudeln mit Ketchup essen möchte? Und welcher Sport eignet sich überhaupt? In Sachen Bewegung und Ernährung herrscht bei vielen Eltern Unsicherheit. Für sie haben Ingo Froböse und Peter Großmann das Ratgeberbuch „Der kleine Sporticus“ geschrieben.

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Kinder und Sport: Mädchen mit Hula Hoop Reifen

24,7 Prozent aller deutschen Jungen und Mädchen sind übergewichtig. Zu diesem Schluss kamen Wissenschaftler der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Imperial College London in einer Studie, die anlässlich des Welt-Adipositas-Tages am 11. Oktober im Fachblatt „The Lancet“ veröffentlicht wurde. 6,9 Prozent, also etwa 5,7 Millionen deutsche Kinder, sind laut der Studie gar adipös!

Das sind im wahrsten Sinne des Wortes gewichtige Zahlen, liebe EAT SMARTER-Leser. Paradox: Noch nie waren Sport, Fitness und gesunde Ernährung in der Gesellschaft so wichtige Themen wie heute. Und dennoch, so scheint es, werden unsere Kinder immer dicker.

Kinder und Sport: Wichtig für die Entwicklung

Nicht nur das steigende Körpergewicht ist ein Problem: Sorgen macht Pädagogen und Sportwissenschaftlern, dass vermehrt auch motorische Fähigkeiten auf der Strecke bleiben. So beobachten Lehrer und Verkehrserzieher, dass immer mehr Kinder nicht sicher Rad fahren können, beim Schulterblick beispielsweise Schlangenlinien fahren. Komplexe Bewegungsabläufe im Sportunterricht werden zur Überforderung.

Einer der Gründe liegt auf der Hand – die Alltagsaktivität bleibt zunehmend auf der Strecke. Während zum Beispiel 1970 noch 91 Prozent der Erstklässler ihren Schulweg ohne Erwachsene meisterten, waren es schon im Jahr 2000 nur noch 17 Prozent. Im Jahr 2012 wurden 20 Prozent der Kinder mit dem Auto zur Schule gefahren. Tendenz steigend... Dazu kommt, dass Laptop, Konsole, Smartphone und Tablet für viele Kinder das nachmittägliche Bolzen, Toben oder Buddeln im Freien ersetzen.

Dabei ist Bewegung so wichtig! Sie fördert nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Entwicklung. Vor allem in den ersten sechs Lebensjahren ist Bewegung ganz eng mit der Entwicklung des Gehirns verknüpft. Mit jeder Bewegung, die Kinder sich aneignen, werden im Gehirn neue Synapsen verknüpft, Reflexe werden erlernt – so wie ein Server, der sich langsam aufbaut. Im Alter von sieben bis zehn Jahren lernen Kinder komplexere Bewegungsabläufe. Je weniger sie sich im Kindesalter bewegen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, motorische Defizite das ganze Leben lang mit sich zu tragen. Nicht umsonst sagt man: „Was Hänschen nicht lernt, lernet Hans nimmer mehr“.  

Toben, radeln und klettern sind jedoch nur ein Faktor für gesunde, glückliche und ausgeglichene Kinder. Mindestens genauso wichtig ist gutes, kindgerechtes Essen. Wahre Dramen spielen sich da an manchem Esstisch ab, wenn ein Kind monatelang nur Kartoffelpüree mit Sauce essen möchte und jegliche „gesunde“ Beilage verweigert. Solche Ernährungsphasen sind normal, versetzen Eltern dennoch in Schrecken: Droht Eiweiß- oder Mineralienmangel? Wie lange wird die Gemüseverweigerung anhalten? Ist es in Ordnung, wenn mein Fünfzehnjähriger dreimal Nachschlag möchte?

Im Zentrum für Gesundheit durch Sport und Bewegung der Deutschen Sporthochschule in Köln, das ich leite, beschäftigen wir uns regelmäßig mit diesen und ähnlichen Fragen besorgter Eltern und engagierter Pädagogen. Unsere Beobachtung: Je mehr über Gesundheit, Sport und Ernährung geschrieben wird, desto weniger wissen Eltern angesichts der unzähligen Tipps, was sie tun sollen. Und welches Verhalten überhaupt normal ist.

Buchtipp: Der kleine Sporticus

Daher haben der Sportlehrer und Journalist Peter Großmann und ich ein Buch für Eltern geschrieben. Es heißt „Der kleine Sporticus“ und ist seit Ende September im Buchhandel erhältlich.

Mit dem kompakten Ratgeber möchten wir allen Müttern und Vätern die wichtigsten Informationen über die kindliche Entwicklung mit auf den Weg geben. Vor allem aber wollen wir eine Botschaft vermitteln: Bitte keine Panik! Kein Kind ist gleich; das eine entwickelt sich früher, das andere später. Manche Kinder gehen vor Beginn der Pubertät in die Breite, andere bleiben bis zum Abitur spindeldürr. Nicht jeder Junge ist ein geborener Fußballer, nicht jedes Kind mag den Sport, den einst seine Eltern erfolgreich ausübten.

Kurz: Wir möchten, dass Eltern sich und ihre Kinder nicht vergleichen, sondern einen Weg zu mehr Aktivität und Gesundheit finden, der alle glücklich macht. Dafür finden sich in dem Buch jede Menge praktischer Tipps, die sich schnell in den Alltag einbauen lassen – und bei denen natürlich auch die Eltern gefordert sind. Denn nur mit (vorgelebter) Freude an der Bewegung wird aus einem aktiven Kind später auch ein aktiver, sportlicher Erwachsener!

Viel Freude beim Lesen, Ausprobieren und Nachmachen wünscht

Ihr Ingo Froböse

Sportwissen kompakt - Tipps für sportliche Familien

Ab wann können Kinder anfangen, sich auf eine Sportart zu spezialisieren?

Fußballtraining schon ab fünf Jahren? Ich rate davon ab! Bis mindestens zum zwölften Lebensjahr sollten Kinder erst einmal generell ihre Koordination, Beweglichkeit und Ausdauer trainieren. Erst wenn Ihr Kind eine gewisse Grundausdauer, -kraft und -beweglichkeit erreicht hat, ist es Zeit, sportartenspezifische Bewegungen zu lernen. Viele Sportvereine bieten Kindersportkurse an, in denen spielerisch Elemente ganz verschiedener Sportarten kombiniert werden – eine perfekte Grundlage.

Braucht mein Kind für jeden Sport gleich ein vollständiges Equipment?

Zunächst genügt ein Paar wirklich guter Sportschuhe. Diese sollten im Sportfachhandel und nicht auf dem Wühltisch gekauft werden – und bitte nicht „auf Vorrat“ zum Hineinwachsen. Ein Kindersportschuh passt perfekt, wenn der große Zeh noch eine Daumenbreite Platz hat. Er sollte flexibel sein und möglichst wenig orthopädische Hilfen bieten. Denn damit die Muskeln, Sehnen und Bänder im Kinderfuß sich optimal entwickeln, braucht der Fuß keine übermäßige Unterstützung, sondern in erster Linie Bewegungsfreiheit.

Wann sollte man bei Sportverletzungen wachsam werden?

Grundsätzlich gehören kleinere Blessuren einfach dazu, wenn man sich bewegt und tobt. Es ist für Kinder sogar sehr wichtig zu lernen, wie man stürzt und sich dann wieder aufrappelt! Kinder raufen nun mal gerne, und das ist auch völlig in Ordnung. Wenn das Kind regelmäßig mit aufgeschlagenen Knien oder Prellungen vom Sport nach Hause kommt, sollten Eltern kritisch nachfragen.

Was, wenn mein Kind keine Lust mehr auf eine Sportart hat?

Jedes Kind hat ein eingebautes „Bewegungsgen“ und ist generell neugierig, egal um welche Art von Sport es sich handelt. Wenn es nach ein-, zweimal Training keine Lust mehr hat, sollte man den Trainer genauer anschauen. Denn mit seiner Person steht und fällt die Begeisterung der Kinder. Sprechen zunächst mir ihm und überlegen Sie gemeinsam, wie Ihr Kind den Sport positiv erleben kann. Vielleicht gibt es auch noch eine andere Sportgruppe mit einem anderen Trainer, in die Ihr Kind besser hineinpasst.

Was können Eltern tun, um ihr Kind zum Sport zu motivieren?

Ganz klar: selber vorleben, dass Bewegung Spaß macht und guttut. Wenn die Eltern „Couch Potatoes“ sind, dann wird es auch dem Kind schwerer fallen, sich aufzuraffen. Kindern lieben es, sich zusammen mit Mama und Papa auszutoben und zu zeigen, was sie können – sei es beim Turnen, beim Federball oder beim Jonglieren. Mit ihrem angeborenen Bewegungstalent stecken Kinder Erwachsene bei spielerischen Sportarten in die Tasche und können glänzen. Diese Erfolgserlebnisse motivieren ungemein!

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